Abuissac schließt ein zehnjähriges Freihandelsabkommen mit Kaiser Friedrich II. (wohl 1221/22)

Nicht zuletzt, weil Friedrich II. sich der Grenzen seiner Stärke bewußt war und mit aufsässigen Fürsten und mächtigen Päpsten zu kämpfen hatte, legte er großen Wert auf diplomatische Konfliktlösungen. Insbesondere betrieb er Friedensschlüsse mit muslimischen Herrschern und unterzeichnete einen Vertrag mit dem Sultan von Ägypten, der die christliche Kontrolle über Jerusalem sicherte, sowie ein zehnjähriges Handelsbkommen mit Abuissac, dem Herrscher von Tunis. In diesem Vertrag von 1221/22 vereinbarte Abuissac mit Friedrich außerdem einen gegenseitigen Gefangenenaustausch, sofern die Gefangenen nicht von ihrer ursprünglichen Religion abgefallen waren, regelte die Hoheit über die Insel Cosira, gab weitgehende Sicherheitsgarantieren für Kaufleute an den afrikanischen Küsten und setzte die Entschädigung von Opfern gegenseitiger Piraterie fest.

Der Vertrag wurde ursprünglich arabisch aufgesetzt, wobei die Namen der christlichen Zeugen in lateinischer Schrift geschrieben waren. Aus der Originalausfertigung wurde der Vertrag wenigtens noch einmal in arabischer Sprache abgeschrieben, bevor er ins Lateinische übersetzt wurde. Nach den aufschlußreichen Forschungen des Orientalisten Robert Brunschvig datiert der Vertrag von 1221/22, nicht 1231.

Der Vertrag wurde von vielen Geschenken begleitet, darunter exotische Tiere (z.B. Kamele, Pferde, Jagdleoparden) und tunesische Krieger, die die Reihen von Friedrichs sarazenischen Wächtern füllten. Es führte zur Einrichtung eines christlichen Konsulats in Tunis, das die Kommunikation zwischen den beiden Herrschern erleichterteFriedrichs Toleranz Muslimen gegenüber sowie sein Streben nach engeren Beziehungen zu mächtigen muslimischen Herrschern lieferten seinen Feinden Munition, mit der sie ihn angreifen konnten. 

Oliver Humberg and Jeff Bowersox


ENGLISH

In Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen.[1] Wir beginnen mit dem Lob des großen Gottes und suchen durch seine lobwürdige Anrufung unser Wohlergehen. Lob sei Gott, der das Verborgene kennt, die Zukunft und das Vorhandene, der ewig ist über das Ende all dessen, was lebt, hinaus.

Dies ist nun die Ausfertigung eines Friedens, eines gesegneten, so es denn der erhabene und kostbare Gott will, der seinen Anfang nimmt mit dem Preis Gottes, dessen Gewand geziert ist mit Juwelen der Einhaltung von Eiden und dessen Zweige bis in den Himmel des Glücks reichen. Diesen Frieden setzte der herausragende Älteste, der großartige, ehrwürdige und mit herausragendem Glauben gesegnete und beglückte Abbuisac auf, der Sohn des ehrenhaften Ältesten, des ehrwürdigen verstorbenen Abjebrahim, des Sohnes des heiligmäßigen Ältesten Abihafr, eines Kämpfers und Verteidigers von Gottes Gesetz. An ihnen hatte Gott sein Wohlgefallen und führte sie zur Geradheit in Rat und Wahl, wie er sie zu Schiedsleuten in den Beratungen machte und alles nach ihrem Willen geschehen ließ, so oder so. Vermittler dieses Friedens war der christliche Ritter Wibald, der getreue Gesandte des berühmten großen Königs der Römer, des Kaisers Friedrich, Kaisers von Rom und Königs von Sizilien und Sachsen. Möge Gott ihn treu sein lassen und ihn zu Gradheit und Wohlstand führen nach seiner besten Absicht, da er dies in die Macht dessen gelegt hat, den der vorgenannte König gesandt hatte, mit dem er den Bund geschlossen hat durch die Hände seines Gesandten Wibald, des getreuen Ritters, gemäß den Vereinbarungen, deren Erklärung später in dieser Ausfertigung folgen wird.

Zu den Abmachungen gehört, daß ihnen alle in Afrika gefangenen Christen freigelassen werden, die in der Zeit des Friedens gefangen wurden, seien es Männer oder Frauen, Kleine oder Große, die noch am Gesetz des Christentums festhalten; aber auch, daß sie ihrerseits alle bei sich gefangenen Mohammedaner freilassen, die noch am Gesetz des Islams festhalten, Männer wie Frauen, Kleine wie Große. Und daß die Frachtgelder und Gebühren aufgehoben werden, wie sie gewöhnlich üblicherweise von den Christen erhoben werden, die in die Provinzen Afrikas segeln, von den Kaufleuten der Insel Sizilien, aus Kalabrien und dem Fürstentum Apulien. Und daß auch sie ihrerseits alle Zölle aufheben, die nach Sitte und Ordnung üblicherweise von den Afrikanern erhoben wurden, die in die vorgenann­ten Lande des vorgenannten Königs segeln. Diese Lande, haben wir gesagt, sollen frei sein. Und ihnen soll auch der halbe Tribut der Insel Cosira[2] gegeben werden, wie er fest­geschrieben und festgelegt ist, zur Zeit der gewöhnlichen Erhebung. Und die Christen sollen auf der genannten Insel Cosira nicht das Recht haben, über irgendeinen Mohammedaner zu Gericht zu sitzen, außer über den mohamme­danischen Statthalter, der vom genannten König von Sizilien eingesetzt ist, um in seinem Namen nur die »Völker der Einheit«[3] zu regieren, und der sich auf die Angelegen­heiten des »Volkes der Einheit« beschränken soll (Gott verleihe ihm Ehre).

All dies wird ihnen gewährt in dem Maße, wie sie auch selbst sich ihrerseits verpflichten und Sorge tragen, alles zu erstatten, was auf diesem Meer von christlichen Seeräubern erbeutet wurde, die unter der Regierung und Gerichtsgewalt des besagten Königs stehen und die Untertanen seiner Macht und Herrschaft sind, aus all seinen Zuständigkeitsgebieten, außer aus Genua, Pisa, Marseille und Venedig, weil bereits erklärt worden ist, daß diese besagten Völker pro personis et statu Frieden geschlossen haben mit unserem Herrn, dem Kalifen, dem Priester und Gebieter der Gläubigen.

Dieser besagte König verpflichtet sich, alles was von wem auch immer aus allen Völkern, die unter seiner Botmäßigkeit stehen, seien es Kaufleute und Krieger in allen Gegenden Afrikas, zu Unrecht angeeignet wird, zu erstatten und zu entschädigen, so daß dies allen, die von seinem Siedlungsraum an durch Afrika kommen und gehen, in voller Höhe bezahlt werde, und daß er auch alle zufriedenstelle, die aus Afrika von seinem Siedlungsraum an bis zur Provinz Ägypten reisen und die in andere Regionen fahren und die mit Karavellen, die nach Afrika fahren, unterwegs sind. Und daß auch sie ihrerseits alle Küsten Afrikas, alle Städte, Lande und Provinzen mit Garnisonen, Häfen und Grenzanlagen in Ruhe lassen. Wenn (umgekehrt) irgendwer in irgendeinen Hafen Afrikas einläuft oder sich an irgendeine seiner Küsten rettet, sei sie nun bewohnt oder unbewohnt, so soll er nunmehr vor den Einwohnern Afrikas und vor allen Muslimen, Ägyptern und anderen sicher sein, so daß, wenn irgendwer sich an irgendeine der Küsten Afrikas gerettet hat und Schaden oder Belästigung von irgendwem, der der Macht des besagten Königs untertan ist, erleidet, dann werden diese verpflichtet, den Schaden zu ersetzen. Und (umgekehrt sind sie verpflichtet), niemanden von den Einwohnern dieses Landes zu stören oder zu reizen durch Lockungen oder durch Einschüchterungen, noch absichtlich irgendeinen Teil davon zu verwüsten, um ihnen Schaden zuzufügen, noch anderen Völkern dabei zu helfen, dies zu tun, und sich zu verpflichten, alles was aus diesem Lande von allen Christen, die dem vorgenannten König und seiner Macht untertan sind, wie vor gesagt, mitgenommen und gestohlen wird, wiederzuerstatten entsprechend diesen Bedingungen und gegenseitigen Vereinbarungen.

Der Friede ist mit ihnen geschlossen auf zehn Jahre in Folge, deren Anfang mit der Eingangs­formel und dem Titel dieser Urkunde beginnt. Und es ist so beschlossen, daß alles erfüllt wird, zu dessen Einhaltung sich seitens des Königs und Kaisers von Rom, der Insel Sizilien und Sachsens, dessen Gesandter und Geisel, der vorgenannte Ritter Wibald, verpflichtet hat, der erklärt hat, er habe von diesem den Auftrag bekommen, an seiner (des Kaisers) Statt den Frieden auszuhandeln, und daß er die Verhandlungen an Stelle des Kaisers in dem Sinne abschließe, wie dessen Brief ausgewiesen hat und wie dieser sich verpflichtet hat, zu halten, was jener sagen wird. So hat der achtbare Älteste, der ehrwürdige und vortreffliche Abbuissac, mit ihm die Bedingungen vereinbart. Gott wolle sie einmütig sein lassen in ihren Plänen und sie in ihren Absichten stärken im Sinne der vorgenannten Ordnung, da er jenem eine sehr scharfe Urteilskraft gegeben hat, dies in die Wege zu leiten und zu ihm zu schicken. Möge Gott ihn segnen, der ihn zur Geradheit des Rates führe, der sein Hüter ist und sein werter Schirm. Er hat sich darauf eingelassen, daß diese Dinge unter ihnen gehalten würden wie ein unter ihnen geschlossener Bund Gottes, zu dem er sich verpflichtet hat. Und jeder, der sich daran hält, hat Erfolg und trägt Gewinn davon. Sowohl wer bei Ihm (Gott) aus freien Stücken Zuflucht sucht als auch derjenige, der bei diesem (Vertrag) Schutz sucht, findet Sicherheit. Unter diesem Eidesversprechen wurde dieses Schriftstück ausgefertigt, um zu bestätigen, was in ihm steht, und bei Gott ist die Hoffnung, dem Urheber dieser Welt und ihrem Schöpfer.

Dieser besagte Friede wurde mit dem vorgenannten christlichen Gesandten in der Gegenwart von Muslimen und Christen geschlossen, derer Gott sich erbarmen wolle – und die Zeugen haben all das verstanden, was hier dargestellt ist nach dem Wortlaut all dessen, das wir gesagt haben –, und in Gegenwart jener, die der großartige Älteste, der ehrenwerte, gesegnete und durch die Kraft Gottes gestärkte Abuissac, von dem schon die Rede war, berufen hat – Möge Gott ihrer Erhabenheit und dem Wohlstand jener Dauer verleihen! –, weil sie selbst von diesem Wortlaut und von dem Zeugnis der unten genannten Dolmetscher mitbetroffen und mitverpflichtet sind und weil sie selbst mitbetroffen und mitverpflichtet sind, da sie deutlich gemacht und verstanden haben, daß sie alles, was der Vorbezeichnete den Christen hiermit zugesichert hat, vernommen und über alles ihr Zeugnis abgelegt haben. In der Mitte des Monats Jamadalacheri im Jahre 628[4].

Und zu den Punkten, nach denen dieser Friede geschlossen, erfüllt und vollendet wurde, gehört, daß im Sinne der vorbenannten Vereinbarungen kein mohammedanischer Kauffahrer, der in die Lande und Provinzen besagten Königs ein- oder ausreist und dabei allein zum Warenverkehr unterwegs ist, daran gehindert werde und den Zehnten zahlen muß. Und diese Ausfertigung ist eindeutig, wahrhaftig und nützlich, wie sie sie gefordert haben, und klar und vollkommen.

  • Hamid, Sohn Mohammeds, des Sohnes des Geber Alceroan
  • Hamid, Sohn Omars, Sohn des Omar Hamids, des Sohnes des Albilbal
  • Abduzerami Abdalla, Sohn des Alcorascus
  • Mohammed Ben Abilcazin Brin Balbin, (Sohn des) Alcorascus
  • Hassan Abdalla, Sohn des Binalchaim Athamus.

In der Ausfertigung stehen ebenfalls, in lateinischen Buchstaben geschrieben, die Unterschriften der Zeugen des großen römischen Königs.


[1] Koran, Sure 1,1.

[2] italienisch Pentellaria

[3] Völker der Einheit = Völker des Islams                                                                  

[4] Siehe zur Datierung den Emendationsvorschlag des Orientalisten Brunschvig.


Quelle: J.-L.-A. Huillard-Bréholles, ed., Historia diplomatica Friderici Secundi, vol. 3, trans. by Astrid Khoo (Paris: Excudebat Henricus Plon, 1857), 276-80, übersetzt von Oliver Humberg.

Literatur: Robert Brunschvig, Note sur uns traité conclu entre Tunis et l’Empereur Fréderic II, in: Revue Tunisienne 1932, 153–160.


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