Die Königin von Saba wird zur Versucherin (1411)

Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert, als das Heilige Römische Reich eine neue Ikonographie entwickelte, um seine weitreichenden Ansprüche zu rechtfertigen, erhielten bestimmte christliche Figuren schwarze Züge. Zusammen mit dem Heiligen Mauritius und dem Schwarzen König begann die Königin von Saba als positive schwarze Gestalt, eine edle Königin, zu erscheinen, die die Möglichkeit verkörperte, Heiden zum Christentum zu bekehren. Diese Darstellung sollte jedoch nicht von Dauer sein. Ab dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert war eine kritischere, ja sogar frauenfeindliche Interpretation ihrer Beziehung zu Salomo dominant geworden. Sie begann, als eine eindeutig negative Versucherin aufzutreten, eine erotische Gestalt, die Salomo von Gottesfurcht und Weisheit wegführte. Die exotische Andersartigkeit der Königin war in diesem Zusammenhang nicht so relevant, so dass sie seltener als schwarz erschien. Dennoch war diese Verschiebung wichtig für die Einführung neuer, negativer Darstellungen von schwarzen Frauen.

Das folgende Bild stammt aus einem Tugendbuch des Tiroler Dichters Hans Vintler (d. 1419) und zeigt Salomo und die Königin von Saba, wie sie ein dämonisches Idol verehren.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


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Ganze Seite: Text und kolorierte Federzeichnung (Die Königin von Saba betet zu einem Götzen, dahinter König Salomon)

Source: Hans Vintler, Die Pluemen der Tugent (Tirol 1411), Österreichische Nationalbibliothek Cod.13567 fol.6r.


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