Ein Äthioper unter den Dämonen (vor 1240)

Caesarius von Heisterbach (ca. 1180 – ca. 1240) war ein Mönch in der Abtei von Heisterbach, wo eines seiner Aufgaben die Schulung von Novizen war. Er schrieb eine Reihe von geistigen Abhandlungen, und seine meistbekannte war „Dialog über die  Wunder“, welche die Form eines Dialogs zwischen einem Meister und einem Novizen annimmt. Seine Werke waren beliebt, da die Geschichten wichtige theologische Wahrheiten im fesselnden Format vermittelten.

Viele Teile seines Buchs beschäftigen sich mit Dämonen und dem Teufel in verschiedenen Gestalten, und in einigen von diesen schreibt er diesen gefallenen Wesen eine schwarze Haut zu. In diesem Auszug, welcher exzerpiert und editiert wurde und dadurch nicht so vollständig wie die englische Übersetzung ist, berichtet der Mönch dem Novizen von dem Abt Herman, der mit der Gabe, Dämonen sehen zu können, gesegnet war. Er fährt fort, eine Palette von Formen, die Dämonen annehmen können, zu begutachten. Viele von ihnen sind erschreckend substanzlos und monströs. Andere besetzen die Körper von Mönchen, die für pietätlose Taten anfällig sind. Beachten Sie aber die drei Dämonen, die deutlich menschliche Gestalt annehmen: eine verschleierte Frau, die ganz in Schwarz angezogen ist, ein bestialischer Bauer und ein Äthioper, der vom Fegefeuer schwarz gebrannt ist.

Diese repräsentieren drei Figuren, welche alle ein gewisses Maß an Angst unter den Eliten auslösten: Frauen aufgrund ihres verführerischen Potentials und ihrer Schwäche für Verschwendung, Bauern aufgrund ihrer Aberglauben und Leidenschaften und Schwarze aufgrund ihrer Assoziationen mit sowohl Dunkelheit als auch Sünde und mit den muslimischen Feinden des Christentums.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


English

Vom Abt Hermann zu Marienstatt, welcher Teufel der verschiedensten Art gesehen hat.

Es ist bekannt, was Herr Abt Hermann zu Marienstatt für ein frommer und ernster Mann ist. Bevor er in den Orden trat, war er Stiftsherr an der Kirche zu Bonn und erstammt einem edlen, ja hohen Geschlecht. Er wurde Mönch zu Himmerode und als bald nachher unser Konvent von dort aus gegründet wurde, erwählte man ihn zum ersten Abt dieser neuen Gründung; nach Verlauf einiger Jahre wurde er uns jedoch entrissen und in Himmerode zum Abt gewählt. Hier befand sich um diese Zeit ein Laienbruder Namens Heinrich, Verwalter des Klosterhofes Hart, ein guter und gerechter Mann reiferen Alters und noch jungfräulichen Leibes. Unter mancherlei Gaben, welche er vom Herrn empfangen hatte, war auch die, dass er besonders bei nachtschlafender Zeit allerlei Teufel umherlaufen sah. Als er dies einmal besagtem Abt Hermann gebeichtet hatte, erfasste diesen gleichfalls das Verlangen, Teufel zu sehen; er bat Gott inständig um diese Gnadengabe und wurde sofort erhört. Während er bei der nächsten St. Martinsfeier der Matutin beiwohnte, sah er wie ein Teufel in Gestalt eines vierschrötigen Bauern von unten her in`s Presbyterium kam. Er hatte eine breite Brust, eckige Schultern, einen kurzen Hals, das Haar an der Stirne verwegen aufgestülpt, während die übrigen Haare gleich Aehren um den Kopf hingen. Er stieg hinauf zu einem gewissen Novizen und blieb vor demselben stehen. Hermann, der übrigens damals noch nicht Abt war, hatte gerade die Augen für einen Moment abwenden müssen, als er sie dann wieder auf die Erscheinung richtete, war sie verschwunden.

Als Hermann, damals noch einfacher Mönch, in der St. Kunibertsnacht im Chor des Abts stand, zeigten sich ihm zwei Teufel, welche in die Kirche getreten und nach und nach bis zum Sitze des Abtes, zwischen dem Chor der Mönche und dem der Novizen, vorgedrungen waren. Nachdem sie bis zu dem Winkel gekommen waren, wo die Wände zusammenstossen, sprang ein Dritter herbei, gesellte sich zu den beiden Andern und ging mit diesen fort. Sie kamen Hermann so nahe, dass er sie mit der Hand hätte berühren können. Bei genauerem Zusehen bemerkte er, dass sie gleich Lufterscheinungen mit den Füssen den Boden nicht berührten. Der eine der Teufel hatte ein Weibergesicht, trug einen schwarzen Schleier um den Kopf und war in einen schwarzen Mantel gehüllt. Wie mir der Abt ferner erzählt hat, war der Mönch, zu welchem sich der dritte Teufel gesellt hatte, ein ziemlich mürrischer, nicht wenig verdrossener und träger Mensch; er schlief gern im Chor, psallierte jedoch höchst ungern; er war mehr zum Trinken aufgelegt, als zum Singen; die kürzesten Vigilien dauerten ihm noch zu lange.

Zu einer andern Zeit, als Hermann noch Prior war, wenn ich nicht irre, am Vorabend von St. Columbanus, begann der Chor des Abtes den ersten Psalm der Matutin: “Herr, wie haben sich gemehret, die mich drängen” (Ps. III, 2); da fanden sich im Chor soviele Teufel zusammen, dass durch ihr Hin- und Herlaufen die Brüder in ihrem Psalm ganz irre wurden. Als nun der andere Chor den Gesang wieder in den richtigen Gang zu bringen suchte, flogen die Teufel herbei, mischten sich unter jene falsch singenden und brachten sie in solche Verwirrung, dass sie gar nicht mehr wussten, wie sie singen sollten. So schrie ein Chor gegen den andern. Herr Abt Eustachius und Prior Hermann, welche alles Vorherehende gesehen hatten, standen auf und machten einen Versuch, dem Wirrwarr unter den Sängern zu steuern und die dissonirenden Stimmen wieder zu vereinigen, jedoch vergeblich. Nachdem jener nicht allzu lange oft gesungene Psalm mit Mühe und Noth zu Ende gebracht worden war, ging der Teufel, der Urheber der ganzen Verwirrung, mit seinen Gesellen fort, und der Friede war unter den Sängern wieder hergestellt. Der Prior hatte gesehen, wie der Teufel in Gestalt eines Drachen von Speereslänge davon flog und zwar in der Nähe der im Chore brennenden Lampe, so dass sein Abzug dem Zuschauenden nicht entgehen konnte. Die übrigen Teufel besassen Schattenkörper und waren etwas grösser als Kinder, ihre Gesichter aber sahen aus wie Eisen, das soeben aus der Gluth gezogen wird.

Als eines Tages der Wöchner die Antiphon des Invitatoriums anfing und der ihm zunächst stehende Mönch mit mittlerer Stimme in den Psalm einfiel, hob der damalige Subprior Herwig nebst den übrigen Senioren an, in derselben Stimmlage zu singen. Ein noch etwas unbesonnener Jüngling, welcher es ungern sah, dass der Psalm so tief gesungen werden sollte, schlug ihn fünf Töne höher an. Der Subprior widersetzte sich dem; der Jüngling aber kümmerte sich nicht darum und erlangte durch seine Hartnäckigkeit den Sieg. Beim folgenden Verse unterstützten ihn etliche aus dem Gegenchor; die übrigen aber gaben nach, um das Aergerniss nicht noch zu vermehren. Da sah Hermann, wie ein Teufel, ähnlich einem glühenden Eisen, von dem siegreichen Mönche fort zu seinen Helfern im andern Chor hinübersprang. Hieraus lässt sich schliessen, dass ein demüthiger, aber aus dem Herzen kommender Gesang Gott mehr gefällt, als ein übertriebenes Geschrei, das zum Himmel stürmt.

Ein anderesmal, als er etwas früher denn die Uebrigen zur Vigil gekommen war und an seinem Platze stand, richtete er, um nach dem Wetter zu sehen, die Augen auf das Fenster an der Vorderseite der Kirche; siehe, da bot sich seinem Blick ein Teufel in Gestalt eines Aethiopen (Mohren) dar, gross und so schwarz, als ob er eben erst aus dem höllischen Feuer gezogen worden wäre. Der Teufel kam zu ihm hinauf in den oberen Chor und verschwand dann wieder. Noch ein andersesmal, als er auf seinem Sitze eine Bewegung machte, um die Brüder an etwas zu erinnern, sah er, wie ein Teufel von entsetzlichem Aussehen sich ungestüm zwischen den Sitz des Abtes und den des Priors eindrängen wollte; dann sah sich der Böse tückisch nach dem Chor des Priors um; weil aber dieser ihm den Zugang versperrte, stürzte er in den Novizenchor und gesellte sich zu einem dort sitzenden älteren Mönche. Dieser war dem obengenannten Mönche, zu dem sich auch der Teufel gesellte, in vieler Hinsicht ähnlich, denn er war trunksüchtig, verdrossen und brummig.

Oft sah der Abt die Teufel in kleinster Gestalt durch den Chor laufen, oft auch an verschiedenen Orten wie Funken leuchten; da er jedoch merkte, ihr Anblick schade den Augen, auch ihre Tücke und Bosheit kannte, betete er eines Tages während der Messe vom h. Geist: Gott möge ihn von solchen Visionen befreien. Sofort zeigte sich der böse Feind ganz nahe in Gestalt eines leuchtenden Auges von der Grösse einer Faust, als ob er sagen wollte: “Sieh mich noch einmal recht an, weil Du mich von jetzt an nicht wieder schauen wirst.” Dennoch hat der Abt ihn später noch gesehen, indessen nicht mehr so deutlich und nicht so oft wie früher.

Als er Abt zu Marienstatt geworden war, sollte hier die edle Frau Gräfin Aleidis von Freusburg (Froizbreth) wie eine Gründerin des Ortes beerdigt werden; währen ihre Leiche schon im Sarge lag, sah der Abt, wie ein Teufel den Sarg umkreiste und als habe er etwas ihm gehörendes verloren, sich mit spähenden Augen in allen Ecken und Winkeln umsah.

Es ist noch kein Jahr verflossen, dass unser Prior, als er nach dem Leichenbegängnisse eines Laienbruders und der Beerdigung eines weltlichen Geschäfts zur kanonischen Stunde in den Chor trat, den Teufel gleichsam wie einen Wegweiser vor sich hergehen sah; er hatte derselbe aber einen gar feinen Körper, wie eine Wolke, angenommen. Einige Tage nachher, bei Nachtzeit, und während der Matutin, hat ihn der Abt in gleicher Gestalt vor dem genannten Prior stehen sehen.


Source: Alexander Kaufmann, Hg., Wunderbare und denkwürdige Geschichten aus den Werken des Cäsarius von Heisterbach, Bd. 2 (Köln: J.&.W. Boisserée’s Buchhandlung, 1891), 7-11.


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