Hermann von Sachsenheim, Die Möhrin (1453)

Hermann von Sachsenheims Die Mörin ist eines der außergewöhnlichsten spätmittelalterlichen Minnereden, ein Genre von non-narrativen und höchst allegorischen Abhandlungen vordergründig über die Liebe. Die Mörin beschäftgt sich mit den dringenden Angelegenheiten, wie Christen und Muslime gewinnträchtig miteinander umgehen könnten und insbesondere ob diese Begegnungen durch Konfrontation und Intoleranz aufgrund unterschiedlicher Glauben oder durch Neugierde und Respekt gelenkt werden sollten. Es wurde im selben Jahr geschrieben, als Konstantinopel den Ottomanen zufiel und daher spiegelt es diese Mischung aus Neugierde und Angst wider, die durch die erneute Ausweitung des Islams  im christlichen Europa ausgelöst wurde.

In der Geschichte wurde ein alter Ritter vor den Hof auf einer orientalischen Insel gebracht. Er soll von der Königin Venus, aufgrund einer Anschuldigung in seiner Jugend die Regeln der Liebe gebrochen zu haben, gerichtet werden und die Anklägerin ist die namengebende Mörin (auch als „schwarze Brünhild“ gekennzeichnet). Ihrer Rolle angemessen ist sie aggressiv, dominant, spöttisch, zynisch und allgemein respektlos dem alten Ritter gegenüber, da er von einem anderen Glauben ist. Sie ist geistreich und beißend, da sie den Ritter einmal mit der Möglichkeit veralbert, dass sie „süß“ wie eine Frau in einer anderen altbekannten Geschichte ist, nur um ihn dann, als er der Versuchung erliegt und auf ein sanftes Verfahren hofft, herabzusetzen. Ihr Verhalten schockiert sogar ihre männlichen Landsmänner, die mit dem Ritter Mitleid haben, da er von einer Frau so herb behandelt wird.

Die Frauen und insbesondere die Mörin repräsentieren den Weg der Aggression und Konfrontation. Und obwohl Hermann offensichtlich die Möglichkeiten, die durch eine respektvolle Auseinandersetzung mit anderen Kulturen geboten werden, bevorzugt, ist seine Mörin keine erniedrigende Karikatur. Er hat eine selbstbewusste, intelligente und zynische Frau geschaffen, die im Auftrag einer rachsüchtigen Venus strafrechtlich verfolgt und sich den Männern, die um Mitleid mit dem Angeklagten bitten, entgegenstellt. Die Mörin ist weit entfernt von Wolframs idealisierten Belakanen, aber aus diesem Grund nicht weniger interessant.

Die Illustration ist ein Holzschnittdruck aus der Ausgabe des Jahres 1512. Während die Mörin selbst nicht hervorsticht (sie steht auf der linken Seite mit der Königin Venus), illustrieren die wunderlichen Köstüme der Figuren und die exotischen Landschaften die Klischees, die mit dem Islam und den Ottomanen verbunden wurden. Wir sehen zwei Herolde auf Kamelen, einer trägt einen extravaganten Turban und der andere trägt fast gar nichts bis auf einen Ring in seiner Nase, wie auch eine Art monströsen Diener, der sich mit den kopflosen und einbeinigen Dienern, die im Text erwähnt werden, deckt.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


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Source: Hermann von Sachsenheim, Die Mörin (Strasbourg: Grüninger, 1512), Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.


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