Zwei Empfehlungen für Anton Wilhelm Amo (1733 und 1734)

Anton Wilhelm Amo war ein Afrikaner aus Axim im heutigen Ghana. Er wuchs am Hof der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel auf, studierte und lehrte Philosophie an deutschen Universitäten und nahm dabei an philosophischen Debatten teil, die weit über den Elfenbeinturm hinausgingen. Seine afrikanische Herkunft ist ihm in Deutschland immer wichtig geblieben. Erst 1747 kehrte er nach Axim zurück.

Der hier präsentierten Abschnitte sind dem Anhang zu Amos philosophischer Dissertation ›De Humanae Mentis ΑΠΑΘΕΙΑ‹ entnommen. Sie enthalten Amos Magisterzeugnis sowie das günstige Urteil des Vorsitzenden über die von Amo eingereichte Dissertation. In beiden Fällen knüpft das Lob des Kanditaten an dessen afrikanischer Herkunft an. Amo wird gar in die Tradition der antiken und spätantiken Intellektuellen Afrikas gestellt, die Europa bis in die Gegenwart bereicherten.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely, überarbeitet von Oliver Humberg)


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Rektor und öffentlicher Rat der Universität Wittenberg an den geneigten Leser.

Groß war einst die Würde Afrikas, mochte man nun auf die Begabungen, auf den wissen­schaftlichen Eifer oder auf die festverankerte Sorge um die Religion schauen. Denn es brachte zahlreiche hervorragende Männer hervor, auf deren Begabung und wissenschaft­liche Bemühung menschliche Weisheit in dem gleichen Maße wie göttliche Weisheit aufbauen konnte. Damals wie heute ist nichts (und niemand) für klarsichtiger im gesell­schaft­lichen Leben erachtet worden als Terenz aus Karthago, ganz zu schweigen von seiner Eleganz. Plato wiederum schien in den ›Sokratischen Gesprächen‹ des Apuleius von Madaura wieder­aufzuleben, und zwar in derselben Qualität wie in früheren Zeiten, so daß es, als die Gelehrten in verschiedene Fraktionen zerfallen waren, Apuleianer gab, die es wagten, den Ciceronianern ihren Vorrang auf dem Felde der Rhetorik streitig zu machen. Doch wieviele Männer haben sich seit Auftreten der christlichen Lehre in Afrika hervorgetan! Von den Bedeutenderen genügt es, Tertullian, Cyprian, Arnobius, Optatus von Mileve und Augustinus zu nennen, deren persönliche Heiligkeit ihrer allseitigen Bildung gleichkommt.

Mit welcher Glaubensstärke schließlich und mit welcher Zähigkeit zugunsten des unversehr­ten Glaubensgutes die Afrikaner reihenweise Kirchenlehrer hervorbrachten, davon reden ihre Hinter­lassen­schaften: ihre Tatenberichte, ihre Martyrien, ihre Konzile. Denn der afrikanischen Kirche tun diejenigen Unrecht, die lehren, in ihr habe stets Einigkeit geherrscht.

Wenn auch seit der Überflutung Afrikas durch die arabischen Massen eine große Ver­ände­rung der Lage eingetreten ist, bedeutet dies noch lange nicht, daß durch die arabische Vor­herrschaft alles Licht des Geistes und der Wissenschaft ausgelöscht worden wäre. Denn nach der Gewohnheit dieses Volkes, das alle Wissenschaft an sich zu ziehen schien, wurde die edle Wissenschaft gepflegt, und als die Mauren aus Afrika nach Spanien übergesiedelt waren, leisteten die mitgebrachten alten Schriftsteller einen wert­vollen Beitrag zum Dienst an der Wissenschaft, den man wieder aus der Finsternis ans Licht zurückzuholen begann. Auf diese Weise hat die Wissenschaft dem alten Afrika für soviele Gaben zu danken.

Zu unserer Zeit allerdings, kann man hören, sei diese Weltgegend an anderen Dingen er­giebiger als an Bildung. Daß sie dennoch nicht unfruchtbar an geistigen Talenten geblieben ist, das beweist hier durch sein eigenes Beispiel der hochberühmte Magister der Philosophie und der freien Künste, Anton Wilhelm Amo aus Guinea in Afrika. Geboren ganz weit in der westlichen Einbiegung Afrikas, kam er als kleines Kind nach Europa, empfing Taufe und Konfirmation in Salzdahlum und genoß die Freizügigkeit der durchlauchtigsten Fürsten und Herzöge von Braunschweig und Wolfenbüttel, August Wilhelm und Ludwig Rudolf, in solch reichem Maße, daß er in ihrer Obsorge um seine Erziehung keine Gabe väterlicher Liebe entbehren mußte.

Nachdem er Proben seines lernfähigen Geistes abgelegt hatte, begab er sich nach Halle und ist, in mannigfacher Lehre ausgebildet, nun zu uns gekommen und hat nach Fortsetzung der vorgeschriebenen Studienlaufbahn die philosophische Fakultät so sehr von sich überzeugt, daß er nach dem einhelligen Urteil der Professoren mit dem Magistergrad der Philosophie geziert werden sollte.

Die Ehre, die er sich durch die Verdienste seines Geistes erworben hatte, konnte er durch die herausragende Anerkennung seiner Redlichkeit, seines Fleißes und seiner Gelehrtheit, die er in öffentlichen wie privaten Übungen an den Tag gelegt hat, noch vermehren. Durch ein solches Verhalten ist er gerade bei den Besten und Gebildetsten in große Gunst gekommen und hat sich von seinen Altersgenossen deutlich abgehoben. Durch deren Nachfrage geehrt und ermuntert, erteilte er mehreren von ihnen privaten Philosophieunterricht und behandelte dabei die Lehren sowohl der Alten wie der Neuen, zog das jeweils Beste daraus aus und erklärte es bündig und nachvollziehbar. Damit aber hat er bewiesen, daß er genauso gut, wie er die Dinge versteht, sie auch weitergeben kann, und hat sich damit nicht ungeschickt für das Lehramt erzeigt, wozu es ihn wie von selbst hinzieht, und das er dereinst an einer Universität wird bekleiden können.

Weil er damit unsere Erwartung erfüllt hat, gab es keinen Grund, ihm das erbetene öffentliche Zeugnis unseres Urteils vorzuenthalten. Wir aber erwarten von ihm nur das Beste und halten ihn der fürstlichen Huld, die er pflichtschuldigst achtet und die er auf Schritt und Tritt rühmt, für würdig. Damit er dieses Glückes aber lange genießen und reichste Frucht seiner Hoffnung erlangen könne, wollen wir für die Gesundheit des großmächtigsten Fürsten Ludwig Rudolf, für das Heil des ganzen Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel, das in ganz Deutschland durch soviele große Verdienste berühmt ist, zu Gott beten.

Urkundlich mit aufgedrücktem Universitätssiegel bestätigt, den 23. Mai 1733.

(Ort des Siegels)

Dr. Johann Gottfried Kraus, gegenwärtiger Rektor der Universität


Der Disputationsleiter an den hochgeschätzten Autor dieser Dissertation.

Afrika und dessen am weitesten von uns entfernte Gegend Guinea, die einst wegen ihrer überreichen Goldvorkommen von den Europäern als Goldküste bezeichnet worden ist, so wie wir Ihr Vaterland nennen, in dem Sie das Licht der Welt erblickten, rühmen wir mit vollem Recht nicht nur als Mutter vieler Güter und Bodenschätze ist, sondern auch glücklichster Begabungen.

Unter diesen ragt vor allem Ihr Geist heraus, hochedler und hochgeschätzter Herr, von dessen Fruchtbarkeit und Leistungsfähigkeit wie von der Gediegenheit und Feinheit Ihrer Bildung und Gelehrtheit Sie auch an unserer Universität, und nun in ganz herausragender Weise in der gegenwärtigen Dissertation, unter großem Beifall fähiger Leute schon viele Proben gegeben haben. Ich gebe Ihnen Ihre Dissertation, die Sie selbständig in formvollendeter wissenschaft­licher Form ausgearbeitet haben, genauso ohne jegliche Änderung wieder, damit die Stärke Ihres Geistes desto heller daraus hervorleuchte.

Bleibt mir noch, Ihnen herzlich zu diesem Muster Ihrer besonders eleganten Bil­dung zu gratulieren und Ihnen mit beredterem Gefühl als mit Worten alles Gute zu wünschen und Sie in größter Ergebenheit und Demut der Huld Gottes und unseres Erlauchtesten besten Fürsten Ludwig Rudolf zu befehlen, für dessen Heil und Gesundheit ich nimmer müde werde, die göttliche Majestät anzurufen.

Wittenberg in Sachsen, im April des 1734. Jahres seit Erlösung der Welt

[Martin Gotthelf Löscher]


Quelle: Antonius Guilielmus Amo, Dissertatio Inauguralis Philosophica De Humanae Mentis ΑΠΑΘΕΙΑ, Wittenberg 1734 (Anhang), übersetzt von Oliver Humberg.


We gratefully acknowledge the assistance of Justin E. H. Smith and The Amo Project for making this available.


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