Blumenbach klassifiziert die Menschheit (1795)

Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) war frustriert über die subjektiven Methoden, mit denen Aufklärer wie Carolus Linnaeus die Menschheit studierten. Blumenbach war der Meinung, dass ihre Vorurteile sie behinderten, indem sie beliebige Kategorien schufen und sogar „Monster” in ihr Schema aufnahmen. Seine Lösung bestand darin, mehr wissenschaftliche Mittel zum Verständnis der menschlichen Vielfalt einzusetzen, indem er eine Vielzahl von Körpermaßen, insbesondere von Schädeln, dem herkömmlichen Fokus auf Hautfarbe, Haare und Gesichtszüge hinzuzufügte. Wie viele seiner Zeitgenossen vermutete er, dass Kultur und Umwelt bestimmende Faktoren waren, hielt aber auch an der Annahme fest, dass einige Merkmale über Generationen hinweg bestehen blieben. Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte (erstmals 1775 veröffentlicht und später stark erweitert) artikuliert eine Taxonomie, die die Grundlage für die immer rigideren Rassenklassifikationen des 19. Jahrhunderts bildete. In der Ausgabe von 1795 konzentrierte sich Blumenbach stärker auf die Hautfarbe, führte den Begriff “kaukasisch” zur Beschreibung von weißen Menschen ein und ordnete die Gruppen hierarchisch nach ästhetischen Gesichtspunkten ein.  

Blumenbach selbst war in Bezug auf sein eigenes Schema ambivalent. Er argumentierte, dass es für wissenschaftliche Zwecke wichtig sei, Kategorien zu schaffen, und bei der Gestaltung dieser Kategorien war er eindeutig von zeitgenössischen rassistischen Vorurteilen geprägt, die seine wissenschaftlichen Ansprüche verwirrten – „Schönheit” ist kaum ein Begriff für eine objektive Analyse. Gleichzeitig räumte er ein, dass seine ordentlichen akademischen Kategorien nicht festgelegt waren und diese die chaotische Realität einer vielfältigen und veränderlichen Menschheit nie eindämmen konnten. Auf diese Weise verkörpert Blumenbach die Widersprüche in den Bemühungen der Aufklärung, die Menschheit gleichzeitig zu klassifizieren und ihre Einheit durchzusetzen.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


English

Es gibt fünf Hauptvarietäten des Menschengeschlechts, jedoch nur Eine Gattung desselben.

S. 80.
Die unzähligen Varietäten im Menschengeschlecht fließen durch unmerkliche Abstufungen in einander über.
Wir haben in der ganzen eben beendigten Uibersicht der wirklichen Varietäten im Menschengeschlechte, auch nicht eine gefunden, welche nicht (wie im vorletzten Abschnitte gezeigt worden ist) auch den andern warmblütigen Thieren, besonders den Hausthieren, und zwar den diesen meist noch weit deutlicher gleichsam vor unsern Augen aus den bekannten Ursachen der Verartung entstände; und eben so findet man hingegen, (wie in dem letzten Abschnitte dargethan worden ist) keine Varietät in Farbe, Gesichtsbildung, oder Gestalt, so auffallend sie auch sei, die nicht mit andern Varietäten ihrer Art durch einen unmerklichen Uibergang so zusammengeflösse, daß daraus deutlich erhellt, sie seien alle bloß relativ, und nur in Graden von einander unterschieden.
Eben daher ist es auch nicht zu verwundern, wenn eine blos willkürliche Eintheilung dieser Varietäten Statt finden kann.

S.81
Die fünf festgesetzten Hauptvarietäten im Menschengeschlecht.
Da jedoch auch den solchen willkürlichen Eintheilungen immer eine schicklicher und besser als die andere ist, so schien mir, nach langer und genauer Erwägung, das ganze bis jetzt bekannte Menschengeschlecht am füglichsten, und zwar der Natur gemäß, in folgende fünf Hauptvarietäten eingetheilt werden zu können; welche sich mit den Namen:

A) der kaukasischen,
B) der mongolischen,
C) der äthiopischen,
D) der amerikanischen und
E) der malaiischen

bezeichnen und von einander unterscheiden lassen.
Der kaukasischen habe ich den ersten Platz gegeben, weil man sie, aus später aufzuführenden Gründen, für die ursprüngliche Race halten muß.
Von beiden Seiten ging diese in die zwei entferntesten und verschiedensten Extreme über, von der einen Seite nämlich in die mongolische, von der andern in die äthiopische Varietät.
Die übrigen zwei aber halten zwischen jender Urbarität und diesen Extremen das Mittel.
Die amerikanische nämlich zwischen der kaukasischen und mongolischen.
Die malaiische wieder zwischen der kaukasischen und äthiopischen.

S. 82
Kennzeichen und Gränzen dieser Varietäten.
Überhaupt lassen sich diese fünf Varietäten durch nachfolgende Merkmale und Beschreibungen unterscheiden und bestimmen. Ehe ich diese Merkmale aufführe, muß ich jedoch im voraus erinnern, daß man erstlich, wegen ihrer mannichfaltigen Verschiedenheit dem Grade nach, nicht blos eines oder das andere derselben, sondern mehrere in Verbindung mit einander betrachten müsse; dann aber, daß auch selbst diese zusammengenommenen Kennzeichen nicht so bleibend seien, daß sie nicht in jeder Varietät unendlichen Ausnahmen unterworfen sein sollten. Indes ist doch diese Uibersicht so abgefaßt, daß sie im Allgeminen hinlänglich deutliche und klare Begriffe giebt.

A) Kaukasische Varietät.
Von weißer Farbe, mit rothen Wangen schwärzlichem oder nußbraunen Haar, gerundertem Kopf.
Mit ovalem regelmäßigerem Gesicht, in welchem die einzelnen Theile nicht zu stark ausgezeichnet sind, flacherer Stirn, engerer, leicht gebogner Nase, kleinen Munde.
Mit senkrecht unter einanderstehenden Vorderzähnen des obern und untern Kiefers.
Mit sanft hervorstehenden Lippen (vorzüglich der Unterlippe), vollem runden Kinn.
Überhaupt von jener, nach unsern Begriffen von Ebenmas, reizenden und schönen Gesichtsform.
Zu dieser ersten Varietät gehören die Europäer (mit Ausnahme der Lappen und übrigen Finnen) die westlichern Asiaten bis zum Fluß Obi, dem kaspischen Meer und Ganges. Endlich die Einwohner des nordlichen Afrika.

B) Mongolische Varietät.
Von gelbbrauner Farbe.
Von schwarzem, härtern, weder krausem noch dichtem Haar.
Mit gleichsam viereckigtem Kopfe, breitem und plattem Gesicht; und deshalb mit minder abgesonderten, sondern gleichsam in einander fließenden Zügen, eine flache sehr breite Glabelle, eine kleine eingedrückte Nase, runde heraustehende Bausbacken, die Oeffnung der Augenlieder enger geradlinichter, das Kinn hervorragend.
Zu dieser Varietät gehören die übrigen Bewohner Asiens (mit Ausnahme der Malaien auf der letzten Halbinsel des Ganges) die sinnischen Völker in dem kalten Theile von Europa, Lappen und andere, und aus dem nördlichsten Amerika die von der Beringstraße bis zum äußersten bewohnten Grönland verbreiteten Eskimos.

C) Die äthiopische Varietät.
Von schwarzer Farbe, schwarzem und krausem Haar, schmalen an den Seiten eingedrücktem Kopfe, mit unebener, hökkerichter Stirne, herausstehenden Jochbeinen, mit mehr hervorliegenden Augen, mit einer dicken und mit den herausstehenden Oberkiefern gleichsam zusammenfließenden Nase, mit engerer vorwärts verlängerter Kinnladenwölbung, schräg hervorragende Oberschneidezähne, wulstige Lippen und ein zurückbogeneres Kinn.
An vielen krummen Beine.
Zu dieser Varietät gehören alle Afrikaner, bis auf die nördlichen.

D) Amerikanische Varietät.
Von Kupferfarbe, schwarzem, hartem und schwachen Haar, die Stirn niedrig, die Augen tiefliegend, eine stumpfe, jedoch herausstehende Nase.
Das Gesicht ist zwar insgemein breit und dickwangig, jedoch nicht flach und platt, sondern die Theile brücken sich en profil deutlich aus und sondern sich von einander ab.
Die Form von Stirn und Scheite ist bei den meisten erkünstelt.
Hiezu gehören alle Bewohner Amerikas bis auf die Eskimos.

E) Malaiische Varietät.
Ihre Farbe ist schwarzbraun, das Haar schwarz, weich und kraus, daher dicht und voll, die Stirn schmäler, die Nase fleischiger, breiter und kolbig; der Mund groß, der Oberkiefer etwas hervorragend, die Gesichtszüge, ein profil besehen, ziemlich hervorspringend und von einander abgesondert.
Diese letzte Varietät enthält die Südseeinsulander nebst den Bewohnern der marianischen, philippinischen, molukkischen, sundischen Inseln und der Halbinsel Malakka.

S. 84
Anmerkungen über die fünf Varietäten des Menschengeschlechts.
Wir kehren nun zu unsern oben beschriebenen fünf Abarten des Menschengeschlechts zurück. Die Kennzeichen, welche wir jeder beigelegt, haben wir in dem vorigen Abschnitte alle einzeln untersucht. Jetzt wollen wir zum Beschluß des Werks, der Vollständigkeit halber, über jede dieser Abarten noch einige allgemeine Anmerkungen beifügen.

S. 85
A) Kaukasische Varietät.

Diese Race erhielt ihren Namen von dem Berge Kaukasus, weil die ihm benachbarten Länder, und zwar vorzüglich der Strich nach Süden, von dem schönsten Menschenstamme, dem georgischen bewohnt sind; und weil alle phisiologischen Gründe darin zusammenkommen, daß man das Vaterland der ersten Menschen, nirgends anderswo suchen könne als hier. Denn erstlich hat dieser Stamm, wie wir gesehen haben die schönste Schädelform, aus welcher, gleichsam als aus ihrer ursprünglichen Mittelform, die übrigen, bis zu den zwei äußersten Extremen hin (der mongolischen auf einer Seite und der äthiopischen auf der andern durch ganz einfache stufenweise Abweichungen entsprungen sind.
Dann ist dieser Stamm von weißer Farbe, welche wir ebenfalls für die ursprüngliche, ächte Farbe des Menschengeschlechts halten können, da aus ihr wie wir oben dargethan haben eine Verartung in Schwarz leicht ist, weit schwerer hingegen aus Schwarz in Weiß (wenn nämlich die Sekretion und Präcipitation dieses Kohlenpigments durch Länge der Zeit Wurzel gefaßt hat).

S. 86
B) Die mongolische Race.

Sie ist ebendieselbe, welche man sonst ziemlich unbestimmt die tatarische nannte, eine Benennung, welche bei der Untersuchung der Racen des Menschengeschlechts, zu wunderbaren Irrthümern Veranlassung gegeben hat, so daß z.B. Büsson und dessen Anhänger, von diesem Ausdrucke verführt, die von alten Schriftstellern entlehnten Nationalcharaktere der Mongolen, welche sie unter dem Namen Tatarn beschrieben hatten, auf die wahren Tatarn selbst, (welche zweifelsohne zu der genannten ersten Race gehören) fälschlich übertrugen.
Uibrigens fließen freilich die Tatarn durch die Kirgisen und angrenzenden Völker eben so mit den Mongolen zusammen, wie diese durch die Tibetaner zu den Indianern, und durch die Eskimos zu den Amerikanern, ja selbst gewissermaßen durch die Bewohner der Philippinea zur malaiischen Race übergehen sollen.

S. 87
C) Aethiopische Race.
Diese Race hat, besonders wegen ihrer von der unsrigen so weit abweichenden Farbe, sehr viele bewogen, sie mit dem witzigem Gelehrten, aber schlechtem Phisiologen, Voltaire, für eine besondere Gattung des Menschengeschlechts zu halten. Doch ist es nicht nöthig, sich mit ihrer Widerlegung hier lange aufzuhalten, da schon aus dem vorerigen Abschnitte erhellet, daß die Aethiopier keine so bleibende und charakteristische Einigenheit haben, die man nicht hier und da auch unter andern Menschenracen fände und welche nicht auch selbst manchen Negern mangelte, und keine endlich, welche nicht auch bei dieser Menschenrace durch unmerkliche Gradation mit den benachbarten in einander flösse, wie jeder finden wird, der die Verschiedenheit nur einiger Stämme dieser Race, z.B. der Fuils, Muluss und Mandingonen, und wie sie sich durch die Gradationen dieser Verschiedenheit immer mehr den Mauren und Arabern nähern, genauer erwogen hat.
Was man aber von den Aethiopiern behauptet hat, daß sie sich den Affen mehr nähern, als die andern Menschen, das gebe ich in dem Sinne sehr gern zu, als man z.B. sagen kann, daß sich jene Race von Hausschweinen mit Hufen dem Pferde mehr nähere, als die übrigen Schweine; indess erhellt schon daraus, daß eine solche relative Vergleichung im Allgemeinen doch ohne Gewicht sei, weil es auch unter den übrigen Hauptvarietäten des Menschengeschlechts keine einzige giebt, aus der nicht ebenfalls ein oder das andere Volk, und zwar von genauen Beobachtern, in Ansehung der Gesichtsbildung mit den Affen verglichen worden wäre wie uns z.B. von den Lappenländern, Eskimos, den Caaiguren in Südamerika und den Bewohnern der Insel Mallikollo ausdrücklich erzählt wird.

S. 88
D) Amerikanische Race.

Es ist in der That wunderbar, wie viele und seltsame Erdichtungen man von charakteristischen Eigenheiten dieser Race verbreitet hat.
Einige sprachen den Männern den Bart ab, andere den Weibern die monatlische Reinigung. Einige gaben allen Amerikanern nur einerlei Farbe, andere eine vollkommen gleiche Gesichtsbildung.
Daß die Amerikaner nicht von Natur unbärtig sind, ist jetzt durch das einmüthige Zeugniß geneauer und wahrer Beobachter so überzeugend dargethan, daß mich die überflüßige Mühe gereut, mit welcher ich ehemals eine Menge von Zeugen zusammengesbracht habe, durch deren Aussage bestätigt wird, daß es durch ganz Amerika von den Eskimos bis zu den Feuerländern ganze Stämme von Einwohnern gebe, welche Bärte tragen; und daß es sich auch von den übrigen Bartlosen beweisen läßt, daß sie mit Fleiß die Wurzel des Barthaars ausreißen, wie dies auch viele, besonders mongolische und malaiische Völker thun.
Daß das Barthaar bei den Amerikanern wie bei vielen mongolischen Nationen allerdings dünn und schwach sei, ist bekannt; doch kann man sie deshalb eben so wenig mit Recht bartlos nennen, als man etwa Menschen mit wenig Haaren kahl nennen könnte.
Die also die Amerikaner von Natur für bartlos hielten, fielen in denselben Fehler, welcher die Alten verleitete, sich und andere zu bereden, der Paradiesvogel, dem man die Füße abzuschneiden pflegt, habe von Natur keine Füße.
Die andere fabelhafte Sage, daß nämlich die Amerikanerinnen keine monatliche Veränderungen unterworfen wären, scheint dadurch enstanden zu sein, daß die Europäer, welche in die neue Welt kamen, an den unzähligen, fast ganz nackten Einwohnern vom andern Geschlechte, welche sie sahen, niemals Spuren dieser Reinigung sahen. Davon giebt es aber wahrscheinlich einen doppelten Grund; theils werden bei jenen amerikanischen Völkern die Weiber, während ihrer Reinigungszeit, durch ein heilsames Vorurtheil gleichsam für giftig gehalten, und von allem gesellschaftlichen Umgange ausgeschlossen; und sie genießen indeß in abgelegeneren Hütten und von dem Anblick der andern entfernt, eine für sie wohlthäthige Ruhe; theils aber hat man auch bemerkt, daß ihre gepriesene körperliche Reinlichkeit und bescheidene Umwicklung der Schenkel dazu beitragen, daß keine Spur des Blutabgangs sichtbar wird.
Ueber die Hautfarbe dieser Race ist schon oben angemerkt worden, daß sie keineswegs sich immer so gleich bleibe, daß sie nicht hin und wieder ins Schwarze spielen sollte; und anderer Seits ergeben sich aus der Beschaffenheit des amerikanischen Klimas und aus den Gesetzen der Verartung, welche man auf den sehr wahrscheinlichen Ursprung der Amerikaner aus dem nordlichen Asien anwenden muß, die Gründe sehr deutlich und leicht, weshalb sie nicht so auffallenden Farbenverschiedenheiten unterworfen sein können, als die übrigen Nachkommen der ursprünglichen Bewohner Asiens, welche sich über die alte Welt verbreitet haben.
Fast dasselbe gilt von der Gesichtsbildung der Amerikaner. Schon haben sehr sorgfältige Augenzeugen die Ungereimheit der fast lächerlichen Behauptung gezeigt, daß die sämtlichen Bewohner der neuen Welt in ihren Gesichtszügen sich durchaus so gleich wären, daß wer einen gesehen hätte, sagen könne, er habe sie alle gesehen u.s.w. Vielmehr beweisen es viele von den größten Künstlern verfertigte Abbildungen von Amerikanern, und die Zeugnisse der glaubwürdigsten Augenzeugen, daß unter dieser Race des Menschengeschlechts allerdings eben so gut als unter den übrigen, Verschiedenheit der Gesichtszüge Statt finde; ob schon wir ihnen oben beigelegt haben, für ihre fundamentale zu halten ist. Daß sie zunächst an die mongolische grenze, haben schon die ersten Europäer, welche auf das feste Land der neuen Welt kamen, richtig angemerkt, und dies bestätigt aufs neue die sehr wahrscheinliche Meinung, daß die Amerikaner aus dem nördlichen Asien herübergekommen, und von einer mongolischen Völkerschaft entsprungen sind; daß aber mehrere solcher Auswanderungen in langen Zwischenräumen erfolgt sind, wozu sowohl phisische und geogenische als politische Karastrophen Veranlassung geben konnten, ist wahrscheinlich; und hieraus ist, wenn eine Vermuthung bei solchen Erörterungen statt finden kann, muthmaßlich der Grund abzuleiten, warum die Eskimos noch weit mehr als die übrigen Amerikaner diese Gesichtsbildung an sich haben theils nämlich, weil sie weit später, durch eine neuere Katastrophe vertrieben, aus dem nördlichen Asien angekommen sind; theils weil das Klima des vorigen Vaterlandes ähnlicher ist. Ja man muß sogar, wenn ich nicht irre, derselben Macht des Klima auf Erhaltung oder Wiederherstellung der Nationalgesichtsbildung, wovon wir oben gesprochen haben, es zuschreiben, daß die äußersten kalten Bewohner des andern Amerika, wie die wilden Bewohner der Magellanstraße, wieder der vorigen mongolischen Gesichtsbildung sich nähern, und gleichsam wieder darein zurückfallen.

S. 89
E) Malaische Race.

Wie die Amerikaner in Ansehung der Nationalbildung zwischen dem Mittelschlage im Menschengeschlechte, welchen wir die kaukasische Race nannten, und einem der beiden Extreme dem mongolischen nämlich, gleichsam das Mittel halten, so macht die malaische einen ähnlichen Uebergang von dieser Mittelrace zur andern äußerßen, der äthiopischen.
Die malaische kann man sie nennen, weil bei weitem die meisten Menschen aus dieser Race, besonders der an Malakka liegenden indianischen Inseln, der Sandwichs-, Societäts- und Freundschaftsinseln, ja selbst die Madagassen, bis zu den Bewohnern der Osterinseln hinauf, die malaische Sprache reden.
Indeß sind auch diese durch mannichfache Grade der Schönheit und des übrigen körperlichen Habitus so sehr von einander unterschieden, daß es nicht an Leuten gemangelt hat, welche z.B. selbst die Otaheiter in zwei von einander verschiedne Racen theilten, die eine nämlich von blässerer Farbe, schlanker Statur und einer von der europäischen wenig oder gar nicht verschiedenen Gesichtsbildung; die andere hingegen von mittlerer Statur, an Farbe und Gesichtsbildung wenig von den Mulatten verschieden, mit krausem Haar u.f.m. Diese letztere also ist den Bewohnern der westlichern Inseln im Südmeer am ähnlichsten, unter welchem besonders die Bewohner der neuen Hebriden sich allmählich den Papus und Neuholländern nähern, welche selbst endlich durch einen so unmerklichen Uibergang mit der äthiopischen Race zusammenfließen, daß man sie sogar, wenn man wollte, nicht unschicklich zu der Race, welche wir gegenwärtig vor uns haben, zählen könnte.

S. 90
Schluß.

Und eben dieser unmerkliche Uibergang, durch welchen auch andere Racen, wie wir gefehlen haben, in einander fließen, führt uns endlich nach einer Vergleichung mit dem, was in den vorigen Abschnitten dieses Werks, von den Ursachen und Arten der Degenerationen und den analogen Erscheinungen von Verartung an andern Hausthieren, gesaft worden ist, zu dem Schlusse, welcher aus den Principien der Phisiologie, wenn sie mit Hülfe der zoologischen Kritik auf die Naturgeschichte des Menschengeschlechts angewendet wird, sich von selbst zu ergeben scheint: “daß nämlich unstreitig alle bisher bekanntgewordenen Abarten des Menschen nur zu Einer und derselben Gattung gehören.


Quelle: Johann Friedrich Blumenbach, Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschichte, translated by Johann Gottfried Gruber (Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1798), 203-224.


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