Ignatius Fortunas weiße „Geschwister“ ersuchen um seinen Nachlass (1789)

Ignatius Fortuna wurde in Surinam geboren und als einer von zwei versklavten Jungen im Besitz des Essener Kaufmanns Franz Adam Schiffler nach Europa gebracht. Als Schiffer in seine Heimatstadt zurückkehrte, trat er in den Dienst der Äbtissin Franziska Christina von Pfalz-Sulzbach (1727-1775) und schenkte ihr Fortuna.

Nach Fortunas Tod baten einige von Schiffers Kindern die neue Äbtissin Maria Kunigunde von Sachsen, das Vermögen von Fortuna an sie zu übergeben. In diesem Brief argumentieren sie, dass die Großzügigkeit ihres Vaters für das Glück von „Ignatz” verantwortlich war, dass Fortuna dies immer anerkannte und dass er aus Dankbarkeit wollte, dass seine „Geschwister” seinen Besitz erben. Tatsächlich hatte Fortunas Vermögen es ihm ermöglicht, zumindest einen „Stiefbruder” mit erheblichen Darlehen zu unterstützen. Der Antrag wurde abgelehnt, und Fortunas Anwesen ging stattdessen weitgehend an das Waisenhaus, in dem er und die ehemalige Äbtissin gelebt hatten.

Dieser Brief gibt uns einen Einblick, wie Ignatius Fortuna von Surinam nach Europa gebracht wurde und wie er vom Kaufmann Franz Adam Schiffer in den Dienst der Äbtissin überging, und er zeigt auch, dass Fortunas Nachlass groß genug war, um Rechtsstreitigkeiten darüber zu führen.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


English

Hochwürdigst – Durchlauchtigste Herzoginn
Gndädigste Fürstinn und Frau!

Eürer Königlichen Hoheit KammerMorr, der Ignatius Fortuna, ist den 24ten v[origen] M[onats] mit Tode abgegangen.

Unser selige Vater brachte diesen Verlebten vor etwan 54 Jahren aus Surinam mit ins Landt.

Höchstdero Durchlauchtigste VorFrau Francisca Christina Höchstseligen Andenckens äusserte damahls ein Verlangen, denselben in Hofdienste zu nemen, und unser Vater war es die größte Freüde, ihn auf dies Art versorgt zu sehen.

Indessen liesse doch der verstorbene Ignatz nicht nach, bey jeder Gelegenheit zu unseren Vater seine Zuflucht zu nemen. Er erkannte ihn für seinem PfelgVater, für seinem Wohltäter, – und für dem Hauptbeförderer seines Glücks.

In der Hoffnung, daß er dereinstens sein etwa hintergelassendes Vermögen aus Gefühl von Dankbahrkeit niemanden als der Schifferschen Famille zuwenden würde, genosse derselbe von Stund an bey unserem Vater, und auch bey einem jeden von uns, was er verlangte. – Kurz, wir brüderten uns.

Wer wollte nun nur auf einen Augenblick haben zweifeln können. Daß derselbe uns mit der Erbeinsetzung habe vorbeigehen können?

Allein da er von einem Schlagfluß getroffen war und bis zum letzten LebensHauch vernunfloß blieb, so war er ausser Stande seine letzte Willensmeinung zu entdecken. Von Euer Königl. Hoheit Höchsten Gnade wird es wohl demahlen eintzig und allein abhangen, wenne Höchstdieselbe die Hinterlassenschaft huldreichst zuwenden wollen.

Dem Fürstlichen Weisenhauße hat er bereits vor einigen Jahren 600 Rthlr per Donation inter vivos zugedacht, und dieses bringt die stärkste Vermutung mit sich, daß er mit dem übrigen Vermögen auch anderen, und gewiß niemanden anderst als uns gutes tuen und die bey uns genossene Freundschaft dadurch ersetzen wollen.

Zu Eürer Königlichen Hoheit ergehet demnach unser untertänigstes und demütigstes Bitten: Höchstdieselbe in gnädigster Beherzigung dieser angeführten wahrhaft- auch stadt- und Landkündigen Umständen uns des verstorbenen Ignatz Hinterlassenschaft zufliesssen zu lassen mildest geruen wollen.

Wir erkennen diese Höchste Gnade zeit Lebens mit untertänigstem Danck und erstereben in tiefster Submission
Euer Könglichen Hoheit
Essen den 1tn Decembr.
1789
untertänigste demütigste

Susanne Kuhlhoff né[e] Schiffer
Wilhelmina Brockhoff né[e] Schiffer
J.A. Schiffer
Ignatz Schiffer.


Quelle: Ute Küppers-Braun, “Kammermohren: Ignatius Fortuna und andere farbige Hofdiener,” Das Münster am Heilweg 54 (2001): 22, 32.


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