Ein Kolonialist beschwert sich über Schwarze Musiker in der preußischen Armee (1909)

Inmitten eines langen Berichts über die militärischen Finanzen entdeckte der konservative Reichstagsabgeordnete Eduard von Liebert etwas Beunruhigendes in der preußischen Armee: schwarze Musiker. Er hielt diese Angelegenheit für wichtig genug, um sie seinen Kollegen vorzubringen. In seinem Bericht (Auszug unten) kritisierte er ein offensichtliches Fehlen von Rassenstolz und argumentierte, dass der historische Einsatz schwarzer Musiker nicht mehr akzeptabel sei.

Lieberts Kommentare sind angesichts seines Hintergrundes nicht überraschend. Er hatte sich wortwörtlich einen Namen gemacht, indem er die weiße Vorherrschaft in den deutschen Kolonien aufrechterhielt: Er wurde für seinen Dienst als Militärkommandant und Gouverneur in Ostafrika zum Adel erhoben. Seine Amtszeit als Gouverneur (1897-1901) war von tiefem Widerstand und harter Unterdrückung geprägt, die schließlich zu seiner Abberufung führten. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er ein führendes Mitglied des Alldeutschen Verbands, einer radikalen nationalistischen Vereinigung, die für ihren Antisemitismus und Rassismus bekannt war, und der Deutschen Kolonialgesellschaft, der führenden kolonialistischen Interessensgruppe.

Obwohl in diesem Zusammenhang vielleicht nicht überraschend, sind Lieberts Stellungnahme und die allgemeine Unterstützung, die er von seinen Kollegen erhalten zu haben scheint, bemerkenswert. Sie deuten darauf hin, inwieweit ein kolonialistischer „wissenschaftlicher” Rassismus frühere Modelle des Denkens über rassische Unterschiede verdrängt hatte. Wie die Vergleiche mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien andeuten, geschah dies durch Gespräche über den Atlantik, informiert durch die segregationistischen Regime, die in den südlichen und afrikanischen Kolonien der USA aufgebaut wurden. 

Jeff Bowersox (translated by Lilian Gergely)


English

Etwas Drittes, was auch die Musik betrifft, möchte ich berühren. Es ist mir zu Ohren gekommen — ich wünschte, es wäre nicht wahr –, daß ein preußisches Kavallerieregiment einen Neger als Pauker und ein preußisches Infanterieregiment einen Neger — ich weiß nicht, ob als Kapellmeister oder als Tambourmajor hat.

(Hört! hört!)

Wenn das wahr ist, so würde ich das für eine Ungeheuerlichkeit halten. Denn die betreffenden Kommandeure müßten gar kein Rassegefühl und gar keinen Rassestolz haben.

(Sehr richtig!)

Ich habe mich gefreut, daß neulich der Herr Abgeordnete Dr. Goller die Rassenfrage anschnitt, um die man sonst scheu herumgegangen ist. Ich möchte mal sehen, wenn man einen Engländer oder Amerikaner zumuten würde, unter einem Farbigen zu dienen — das gibt’s gar nicht! Das würde zu Rebellion, zur Meuterei führen. Das muß doch unsere deutschen Soldaten verstimmen.

(Sehr richtig!)

Der Große Kurfürst und der erste Preußenkönig haben sich ja solche Leute gehalten als Trabanten, als Lakaien in schöner Uniform. Das war vor 200 Jahren; aber jetzt sind die Zeiten doch erheblich andere geworden.

Wir kennen zu gut die guten Seiten, aber auch die Schattenseiten der äthiopischen Rasse und dürfen sie nicht über, auch nicht neben unsere eigenen Soldaten stellen.


Quelle: Verhandlungen des Deutschen Reichstags (1907/1909), Bd. 235, 225. Sitzung (16 March 1909), 7511.


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