Robert Albert Mathis wegen Gesprächen mit weißen Frauen vor Gericht (1893)

1893 wurde ein ehemaliger Soldat der Schutztruppe, der als Kellner mit einer Gruppe von Entertainern arbeitete, vor Gericht gestellt, weil er die Grenzen der deutschen Toleranz für interrassische Beziehungen auf die Probe gestellt hatte. Er hatte die „Frechheit”, mit jeder Frau und jedem Mädchen zu sprechen, der er auf der Straße begegnete, und nachdem er versprochen hatte, dies nie wieder zu tun, wurde er mit der milden Strafe einer Nacht im Gefängnis entlassen. Ein solcher Fall veranschaulicht die sozialen Sitten und rechtlichen Einschränkungen, mit denen schwarze Einwohner in Deutschland tagtäglich zu kämpfen hatten, und spiegelt die anhaltende Sorge um den Schutz weißer Frauen vor nicht-weißen Männern wider. Mathis’ Fall veranschaulicht auch einen Weg, wie koloniale Untertanen nach Deutschland gelangten und sich dort zurechtfanden.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


English

Am Dienstag stand vor der 150. Abtheilung des Königlichen Amtsgerichts I Berlin ein Neger Names Robert Albert Mathis, geboren am 18. Juli 1866 zu Angra-Pequeña, um sich wegen Verübung groben Unfugs zu verantworten. Der Angeklagte hatte, wie seine Papiere ergaben, ehemals der Wißmann’schen Kolonialtruppe angehört und befindet sich jetzt als Kellner mit einer Künstlertruppe auf Reisen. Sein Vergehen, wegen dessen er heute vor Gericht stand, bestand darin, daß Mathis sich am 25. April, Morgens gegen 7 Uhr, in der Oranienstraße den “Ulk” gemacht hatte, alle ihm begegnenden Frauen und Fräulein anzusprechen. Auf die Verhaltungen des Gerichtshofes, daß denn doch Europen’s übertünchte Höflichkeit derartige Zutraulichkeiten nicht gestattet, versprach Mathis reuevoll in sehr guten Deutsch, so etwas nie wieder thun zu wollen. Das Urtheil fiel milde aus, es lautete auf einen Tag Haft.


Quelle: “Nachrichten aus dem Kreise un der Provinz,” Teltower Kreisblatt (09 May 1893), 5.


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