Die Gründung eines afrikanischen Selbsthilfevereins (1918)

Der „Afrikanische Hilfsverein” wurde 1918 in Hamburg gegründet. Ziel war es, eine zentrale Organisationsstelle für in Deutschland lebende Afrikaner zu schaffen, die als „Ersatz für die Stammesgemeinschaft und -familie im Heimatland” diente. Außerdem sollte es den Mitgliedern Unterstützung bei Krankheit oder Tod bieten. Zum Zeitpunkt der Gründung hatte die Organisation 32 zahlende Mitglieder, von denen die Hälfte in Hamburg ansässig war, aber alle in Deutschland lebenden Schwarzen konnten beitreten. Um diese Unterstützung zu leisten, stützte sie sich auf die von den Mitgliedern gezahlten Beiträge, aber die wachsenden sozialen Probleme der frühen 1920er Jahre überschritten ihre Ressourcen weitestgehend. Die Organisation existierte bis 1924/25.

Obwohl es sich um eine explizit unpolitische Organisation handelte, war sie dennoch eine Grundlage für den späteren Schwarzen Aktivismus. Viele Mitglieder engagierten sich anschließend in anderen Organisationen, darunter der Architekt und Komintern-Aktivist Joseph Bilé, der Schauspieler Louis Brody und der spätere Vorsitzende der „Deutschen Sektion der Liga zur Verteidigung der Negerrasse “, Victor Bell.

Philipp Koepsell and Robbie Aitken (übersetzt von Lilian Gergely)


English

Der Afrikanisch Hilfsverein wurde 1918 in Hamburg gegründet. Es war ein Zusammenschluss von Afrikaner_innen in der Weimarer Republik. Zweck des Vereins, laut Vereinsstatuen, war es, eine zentrale Anlaufstelle für alle in Deutschland lebenden Afrikaner_innen zu schaffen. Diese sollte, soweit wie möglich, “die Stammesgemeinschaft und die Familie der Heimat ersetzen”. Des Weiteren sollte der Verein seinen Mitgliedern in Krankheits- und Sterbefällen beistehen und finanzielle Unterstützung bereitstellen, um für etwaige entstehende Kosten aufkommen zu können. Angehörige in afrikanischen Ländern sollten über den Aufenthaltsort ihrer in der Diaspora lebenden Verwandten informiert werden. Im Gründungsjahr 1918 bestand der Verein aus 32 beitragszahlenden Mitgliedern; die Hälfte von ihnen war in Hamburg ansässig. Mitglied werden durfte jede_r in Deutschland lebende Schwarze, unabhängig vom Herkunftsland. Laut Statuen sollte der Hilfsverein sich ausdrücklich nicht mit politischen Angelegenheiten befassen.

Der afrikanische Hilfsverein von 1918 war ein Grundstein des Schwarzen Aktivismus der Vorkriegszeit. Viele der ursprünglichen Mitglieder traten in den darauf folgenden Jahren anderen nennenswerten Organisationen bei. Zu ihnen gehörte der Architekt und Komintern-Aktivist Joseph Bilé, der Schauspieler Louis Brody und Victor Bell, der spätere Vorsitzende der “Deutschen Sektion der Liga zur Verteidigung der Negerrasse”. Die Handlungsfähigkeit des Vereins war abhängig von den Beitragszahlen seiner Mitglieder. Die wachsenden sozialen Probleme der frühen 1920er ließen diese allerdings allmählich ausbleiben. Faktisch existierte der Verein bis zur Jahreswende 1924/25.


Afrikanische Hilfsverein

Der Zweck des Vereins ist, für alle in Deutschland lebenden Afrikaner eine Zentralstelle und damit eine Stütze zu schaffen, die, soweit es überhaupt möglich ist, die Stammesgemeinschaft und die Familie der Heimat ersetzt.

Der “Afrikanische Hilfsverein” soll seinen Mitgliedern nicht nur in Krankheits- und Sterbefällen beistehen und helfen, sondern er soll auch eine Nachrichtenstelle sein, durch die die Angehörigen in Afrika immer den Aufenthalt ihrer hier in Deutschland lebenden Familienmitglieder erfahren können.

Es soll ferner ein Arbeitsnachweis für alle Vereinsmitglieder eingerichtet werden und wir bitten alle Mitglieder uns beständig davon zu unterrichten, wo für unsere Landsleute Arbeitsplätze frei sind.

Mit politischen Angelegenheiten soll sich der Verein in keiner Weise befassen.

Statut.

§ 1. Mitglied kann jeder Angehörige unserer schwarzen Rasse und jeder Farbige werden.

§ 2. Der Beitrag ist wöchentlich 1.25 oder 5. – monatlich.

§ 3. Im Interesse unserer Sache bitten wir diejenigen, die ein gutes Einkommen haben, den Verein mit größeren Beiträgen zu unterstützen.

§ 4. Die Beiträge sind portofrei an den Verein einzusenden, ebenso alle Anfragen und Mitteilungen.

§ 5. Wer länger als 3 Monate mit seinen Beiträgen im Rückstand bleibt ohne den Nachweis, daß er ohne Verdienst war, zu bringen, kann aus der Mitgliedsliste gestrichen werden.

§ 6. Jedes Mitglied, welchem der Sitzungstag bekannt gegeben ist und ohne Entschuldigung ausbleibt, zahlt dem Verein 20 Pfennig Strafe.

§ 7. Wer aus dem Verein austreten will, hat kein Anrecht auf das Vereinsvermögen.

§ 8. Bei Sterbefällen, falls nicht aus einer andern Kasse Sterbegeld bezahlt wird, sorgt der Verein für die Beerdigung.

§ 9. Für die Kinder Verstorbener, ebenso für unverschuldet in Not geratene Vereinsmitglieder wird der Verein, soweit seine Mittel reichen, eintreten.

§ 10. Der Verein wird ferner als Rechtsschutz für seine Mitglieder eintreten und nach gewissenhafter Prüfung der Sachlage den häufig sprach- und gesetzunkundigen Landsleuten mit Rat und Tat zur Seite stehen.

§ 11. Der “Afrikanische Hilfsverein” wird auch in allen Fällen, die in dem Statut nicht genannt sind, seine Mitglieder in jeder Beziehung unterstützen, dazu ist aber der Zusammenschluß aller unbedingt erforderlich. Der Verein soll uns einen Teil der Heimat ersetzen und das Gefühl der Vereinsamung inmitten der weißen Bevölkerung von uns nehmen.


Quelle: “Gründungssatzung des ‘Afrikanischen Hilfsvereins’ von 1918,” Staatsarchiv Hamburg, 331-3, SA 2819.


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