Kritik an der Mohren-Apotheke (2018)

In den deutschsprachigen Ländern ist es üblich, auf „Mohren-Apotheken” (oder Apotheke zum Mohren) zu stoßen. Obwohl sie sich von jeder anderen Apotheke nur durch ihre Namen, Logos und Dekoration unterscheiden, verweisen sie auf eine langjährige Verbindung von „Mohren” mit Weltlichkeit und exotischem Luxus. Ab dem neunzehnten Jahrhundert wurde es üblich, diese Apotheken mit edlen, wilden Motiven und mit verschiedenen rassistischen Karikaturen zu versehen, und diese Praxis setzt sich bis in die Gegenwart fort.

Im Januar 2018 wurde in Frankfurt am Main ein Bürgerprotest gegen die Verwendung des Begriffs „Mohren-Apotheke” und der damit verbundenen Bilder erhoben. Die Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV) akzeptierte einstimmig einen Vorschlag ihres Mitglieds Virginia Wangere Greiner, einer hochdekorierten Sozialarbeiterin und Menschenrechtsaktivistin. In ihrer Empfehlung an die Stadtverwaltung (unten) bedauerten sie, dass sie 2018 erklären mussten, dass Begriffe wie „Neger” und „Mohr” eine rassistische Geschichte hatten, die durch ihren fortgesetzten Gebrauch unbewusst aufrechterhalten wurde. Als ersten Schritt zur Entfernung rassistischer Labels aus dem öffentlichen Raum der Stadt identifizierte das Komitee zwei örtliche „Mohren-Apotheken” und bat darum, sie anzuweisen, ihre Namen zu ändern und anstößige Logos zu entfernen. Die Besitzer einer Apotheke reagierten mit der sofortigen Entfernung ihrer klischeehaften Karikatur eines Logos, aber die Besitzer beider Apotheken und andere in der Region weigerten sich, eine Namensänderung in Betracht zu ziehen. Sie bestanden unterschiedlich darauf, dass eine Änderung teuer wäre, dass die Namen ohnehin im positiven Sinne gemeint seien, dass die Kritiker zu sensibel seien und dass ihre Kunden wollten, dass sie ihre lokalen Traditionen verteidigten.

Die Geschäftsfassade der Zeil Apotheke zum Mohren, die die historische Fassade des ehemaligen Hotels zum Mohren zeigt.

Die Erklärung löste eine breite Diskussion in der Presse aus und wurde im Stadtparlament diskutiert. Diese Diskussion löste auch eine Welle von Beleidigungen und Hassbriefen aus, die an die Mitglieder des KAV und insbesondere an Wangare Greiner geschickt wurden. Nach einer Reihe von Verzögerungen entschied Ende April 2018 eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt über die Angelegenheit. Sie beschlossen, die Apotheken nicht zu zwingen, ihren Namen zu ändern, bekräftigten aber die Bedeutung des Themas und verurteilten die missbräuchlichen Bemühungen, Kritiker der Apotheken zu unterdrücken. Das Thema fand auch über Hessen hinaus Beachtung. Am berüchtigtsten ist, dass der rechtsradikale AfD Parlamentsanwärter Matthias Vogler in Nürnberg gegen das, was er als autoritäre politische Korrektheit bezeichnete, protestierte, indem er außerhalb der Mohren-Apotheke zu Lorenz so genannte „Mohren-Kopf”-Konfekte austeilte.

Die Debatten um den Vorschlag der KAV verdeutlichten die Distanz zwischen Aktivisten und Sympathisanten, die auf Strukturen aufmerksam machten, die rassistische Denkweisen aufrechterhielten, und einer größeren Mehrheit, die  „Tradition” verteidigte und darauf bestand, dass Rassismus eine individuelle Angelegenheit sei, die in erster Linie durch bewusste Absicht definiert sei.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


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Anregung an die Stadtverordnetenversammlung

Kein Rassismus im Stadtbild Frankfurts

Gemäß dem Beschluss der Kommunalen Ausländer- und Ausländerinnenvertretung (KAV) der 20. öffentlichen ordentlichen Plenarsitzung vom 15.01.2018 wird die Stadtverordnetenversammlung gebeten, zu beschließen:

Der Magistrat setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass die beiden rassistischen Bezeichnungen, bzw. Logos, „Mohren-Apotheke“ sowie „Apotheke zum Mohren“ aus dem Stadtbild Frankfurts verschwinden.

Dazu nimmt er mit den beiden Apotheken einen auf dieses Ziel hin gerichteten Kontakt auf. In diesem Kontakt wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „Mohr“ als rassistisch angesehen wird, und dass bundesweit bereits viele Bezeichnungen für Speisen, Straßen und sogar Firmenlogos geändert wurden. In weiteren Fällen laufen bereits dahingehende Gespräche und Aktionen.

Begründung:

Oberbürgermeister Peter Feldmann hat oft dazu aufgerufen, dass in Frankfurt am Main kein Platz für Rassismus ist. Er hat ebenfalls oft gefordert, Flagge zu zeigen.
Hier kann und muss die Stadt Frankfurt am Main Flagge gegen die Verwendung rassistischer Bilder und Bezeichnungen zeigen.

Leider muss auch im Jahre 2018 noch immer darauf hingewiesen werden, dass Wörter wie „Neger“ oder „Mohr“ einen rassistischen Hintergrund haben. Viel zu lange wurden sie in Deutschland weder hinterfragt noch aufgegeben.

Tatsächlich wird das Wort „Mohr“ nach wie vor in Speise- und Getränkebezeichnungen verwendet – und sogar in Firmenlogos (z.B. im Falle der Mohrenapotheke)–, ohne dass die geschichtliche Bedeutung bewusst ist. Damit wird Rassismus weiterhin gedankenlos verbreitet.

„In einer demokratischen Gesellschaft sollte es Speisenamen, die bestimmte Menschengruppen herabwürdigen oder beleidigen, eigentlich nicht geben“, meint Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch. Das Bewusstsein dafür, klagt Pollak, sei noch zu wenig vorhanden, „und das ist schwer zu kommunizieren“.

So ist es im Band „Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache“, herausgegeben von den Bayreuther Literaturwissenschaftlerinnen Susan Arndt und Nadja Ofuatey-Alazard (Unrast Verlag), zu lesen. Darin werden rund 120 Alltagsvokabeln, die von Rassismus geprägt sind, besprochen.

Mohrenapotheke in Eschersheim

Die Mohrenapotheke verwendet nicht nur die herabwürdigende Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe, sondern sogar ein klischeebehaftetes Logo mit einem stilisierten Frauenkopf. Stereotypen, die eigentlich schon lange nicht mehr in den Köpfen vorhanden sein sollten, werden weiter verbreitet.

Apotheke „Zum Mohren“, Konstablerwache

Ähnlich ist es im Falle der Apotheke „Zum Mohren“ in der Frankfurter Innenstadt. Das Haus, in dem sie sich befindet, war ein ehemaliges Hotel „Zum Mohren“. Die Apotheke hat demnach aktuell eine alte rassistische Bezeichnung wieder aufleben lassen, die eigentlich schon verschwunden war.

Die Bezeichnung taucht zweimal auf: Einmal am Haus selbst (vom ehemaligen Hotel) und einmal auf dem aktuellen Firmenschild.

Sollte das Haus unter Denkmalschutz stehen, dann muss die Stadt Frankfurt am Main abwägen ob die Menschenrechte nicht stärker wiegen als der Denkmalschutz. Auf jeden Fall aber sollte die Apotheke darauf hingewiesen werden, ihren Namen zu ändern.

Antragstellerin:
Virginia Wangare Greiner (Liste Afrikanische Stimme)

gez. Jumas Medoff (Vorsitzender der KAV)

begl. Usleber


Quelle: Kommunale Ausländer- und Ausländerinnenvertretung, Stadt Frankfurt am Main, “Anregung an die Stadtverordnetenversammlung” (16 January 2018). Translation by Jeff Bowersox and Kristin Kopp.


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