Beschuldigung der Volksverhetzung gegen Fasia Jansen (1970)

Die Schwarze deutsche Liedermacherin Fasia Jansen erhielt am 17.03.1970 eine Vorladung zur richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Oberhausen. Sie wurde des Aufruhrs, des Auflaufs, der Volksverhetzung, der Störung von Versammlungen, der Teilnahme an einer verbotenen Versammlung § § 15, 16, 30 StGB. §§ 21 und 29 Abs.1 Versammlungsgesetz am 23.08.1969 und vorher in Recklinghausen beschuldigt. Sie hatte am 23. August an einer Anti-NPD-Demonstration teilgenommen. Mit ihr wurden bis zu 1.000 weitere Oberhauser Bürger*innen dem gleichen Tatbestand beschuldigt (unter ihnen Gewerkschschafter*innen und Landtagsabgeordnete). Der Polizeipräsident hatte die NPD-Versammlung zugelassen, die Protestversammlung allerdings abgelehnt.

Fasia Jansen nutzte die Vorladung als Frontseite eines Flugblattes (unten), das auf diese abstruse Beschuldigung aufmerksam machte. Am 03.April 1970 erklärte Jansen der Presse: “Die gegen mich erhobenen Vorwürfe sind ungeheuerlich und zugleich parteilich zugunsten der neofaschistischen NPD, daß ich es ablehne hierzu dem Amtsgericht eine Erklärung abzugeben. Der Tatbestand der Volksverhetzung ist einzig und allein von der Nachfolgepartei der NSDAP erfüllt. Es müsste die Aufgabe der Staatsanwaltschaft sein, gegen diese Partei zu ermitteln auf die die Beschuldigungen der Vorladung zutreffen. Als “Nichtarierin” fühle ich mich erneut verfolgt.”

Über das Verfahren und den Protest wurde regelmäßig in der Presse berichtet. Viele der an der Gegendemonstration beteiligten erwogen als Protest gegen das Verfahren die Selbstanzeige. Mehrere hundert Beschuldigte verbrannten am 25. März am Essener Kennedyplatz demonstrativ ihre Vorladungen.

Das Ermittlungsverfahren gegen Jansen wurde am 03. Juli 1970 eingestellt. Das Justizministerium teilte mit, dass es keinerlei Anhaltspunkte gäbe, dass Fasia Jansen den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle. Diese Beschuldigung in der Ladung zur Vernehmung beruhe auf einem Versehen der Geschäftsstelle des Gerichts. Jansen wurde bei diesem Ermittlungsverfahren durch den befreundeten Anwalt und Liedermacher Franz Josef Degenhardt vertreten.

Das vorliegende Dokument zeigt die Vorderseite eines von Fasia Jansen entworfenen Protestflugblattes.

Philipp Khabo Koepsell


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Flyer-Vorderseite

Quelle: Fasia Jansen, Flugblatt (1970), J. Argilagos Privatsammlung, Each One Teach One (EOTO) Archiv, Berlin.


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