Die Geschichte vom freundlichen Mohren und dem misstrauischen Bauern (1912)

Zu den legendären Errungenschaften des „Großen Kurfürsten” von Brandenburg, Friedrich Wilhelm (rechts 1640-1688) gehörte, dass er erfolgreich wichtige Grundnahrungsmittel der Neuen Welt wie die Kartoffel und Luxusgüter wie Tabak entgegen der Einwände seiner Bauern und der Kirche eingeführt hatte. Während die Geschichte nicht annähernd so eindeutig ist, war die Geschichte im 19. Jahrhundert dennoch zu einem Glaubensartikel in Preußen geworden, weil sie zu einer Geschichte des Fortschritts und der Modernisierung unter der Hohenzollern-Dynastie passte. Auffallend ist, dass in der Legende nicht nur Friedrich Wilhelm und ein skeptischer Bauer, sondern auch der schwarze Diener des Kurfürsten erwähnt werden.

Wie in diesem Gedicht von Friedrich Gruppe (1804-1876) erzählt wird, reisen der Kurfürst und ein unbenannter Mohr durch die Landschaft und beschließen, eine regionale Stadt zu besuchen. Beim Rauchen seiner Pfeifen trifft der Mohr auf einen Bauern, der schockiert ist, einen schwarzen Mann zu sehen, aber noch schockierter ist, als er ihn scheinbar Feuer speien sieht. Als der schwarze Mann dem Bauern höflich seine Pfeife anbietet, provoziert er nur eine wütende Ablehnung: „Herr Teufel, nein, ich esse kein Feuer!“

Die Legende spielt somit die Weltlichkeit des Großen Kurfürsten, verkörpert in seinem freundlichen höfischen Mohr, gegen den Provinzialismus des Bauern, der seinen mittelalterlichen Aberglauben nur bestätigt sehen kann, aus. Die Geschichte und ihre Verwendung in der Schule ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Kreuzpunkte verschiedener, langjähriger Assoziationen von Schwärze, die weiterlebten, selbst als die Zeit des Imperiums die Verbreitung verschiedener und vor allem erniedrigender Vorurteile erlebte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass in einer Grundschulstunde aus dieser Zeit nicht nur die Schüler gefragt wurden, „was ist ein Mohr?”, sondern sie auch eingeladen wurden, die Geschichte aus der Perspektive des Mohrs zu reflektieren.

Jeff Bowersox (übersetzt von Lilian Gergely)


English

Als einst der Kurfürst auf dem Land
mit seinem Mohren sich befand,
ging der, um sich zu amüsieren,
am Abend in dem Dorf spazieren,
die Tabakspfeif’ in seinem Mund,
das war noch keinem Bauern kund.
So sah denn auch ein Bauersmann,
in seiner Tür gelehnt, sich an
den schwarzen Mann mit großen Augen,
mit größern noch sein Feuersaugen.
Wie das nun erst der Mohr bemerkt,
hat er sein Qualmen recht verstärkt,
begann drauf gar aus seiner Nasen
zwei Strahlen blauen Dampfs zu blasen,
worauf er denn ganz höflich nun,
um auch mal einen Zug zu tun,
dem Bauern bot sein Pfeifchen an.
Erschrocken rief der Bauersmann:
“Herr Düwel, nee, ick freet keen Für!”
und schlug ihm zu die Obertür.


Quelle: Friedrich Gruppe, “Der Bauer und der Mohr,” in Unsere Mark Brandenburg: Sagen, ed. by Walther Nohl (Berlin: L. Oehmigke, 1912), 48, Georg Eckert Institute for Textbook Research.


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