Kubi spricht in einen Phonographen (1908)

Dieses Standbild stammt aus einem Film von Rudolf Pöch, das während einer Expedition in die Kalahari-Wüste 1907-1909 entstand. Als ethnographischer Filmemacher unternahm Pöch Reisen nach Indien, Neuguinea und ins südliche Afrika. Er war einer von vielen, meist Amateurwissenschaftlern, die versuchten, authentische Aufzeichnungen über Völker und Kulturen zu erstellen, von denen sie annahmen, dass sie am Verschwinden waren. Wie die Fotografie bot auch der Film die Illusion der Aktualität, aber mit dem zusätzlichen Vorteil, dass er Bewegungen für die Beobachtung erfassen konnte, was bedeutete, dass er sowohl physische Merkmale als auch kulturelle Bräuche dokumentieren konnte. Ihre Bemühungen wurden durch koloniale Netzwerke und den Kolonialstaat ermöglicht, und wenn sie in Kinos, Schulen, privaten und organisatorischen Einrichtungen gezeigt wurden, erlaubte ihr Werk den Zuschauern eine stellvertretende Erfahrung des Imperiums. Gleichzeitig, so argumentiert Wolfgang Fuhrmann, waren diese Filmemacher nicht nur ideologisch motiviert, sondern haben mit ihren kommerziellen und wissenschaftlichen Interessen und oft chaotischen Praktiken Werke produziert, die auch unbeabsichtigt die Widersprüche und Spannungen der Kolonialherrschaft offenbaren konnten. 

Der Mann in dem dreieinhalb-minütigen Video heißt Kubi, und wir wissen sehr wenig über ihn, außer dem, was in Pöchs Notizen festgehalten wurde. Er war über sechzig Jahre alt und lebte anscheinend im britischen Botswana, zwischen der Kubi-Ebene und K-au (Kamelpan), wo die Dreharbeiten am 23. August 1908 stattfanden. Er spricht in der Ts-aukhoe Sprache in den Phonographen. Ursprünglich hatte Pöch nur seine Stimme im Phonographen aufnehmen wollen, aber er war von Kubis energischen Gesten so beeindruckt, dass er sich entschied, ihn auch zu filmen. 

Pöchs Notizen erklären uns, dass Kubi eine Geschichte darüber erzählt, wie sich Elefanten an Wasserlöchern verhalten. Kubi erklärt, dass es in der Ebene einmal mehr Wasser gab, das damals mehr Elefanten zum Trinken und Baden anzog, bevor sie in den Busch zurückkehrten. Er zeigt in die Richtung des Flachlandes und erklärt dann, wo es einst Elefantenpfade gab. Dann beschreibt er ein Ereignis, bei dem er fast von Elefanten getötet wurde. Leider werden die Details nicht zur Verfügung gestellt, da Pöch mehr an Kubis aufgeregten Handgesten interessiert war.   

Wie in diesem Film war ein gemeinsames Thema in der Darstellung des kolonialen Lebens die Begegnung zwischen kolonialen Untertanen und technologischen Innovationen. Wie Assenka Oksiloff feststellt, war dies eine Möglichkeit, auf die angenommene evolutionäre Kluft zwischen weißen Europäern und anderen Menschen auf der ganzen Welt, insbesondere den Schwarzen, hinzuweisen. Solche Darstellungen zeigten oft die nicht-weißen Figuren verwirrt, erstaunt oder amüsiert, aber die Kluft konnte auch angedeutet werden, wie in diesem Fall, indem man einfach „primitive” Kleidung und „moderne” Technologie nebeneinander-stellte. Die Subjekte der Filmemacher werden dabei auf ein reines Studienobjekt, einen Vertreter eines ethnischen oder rassischen „Typs” (in diesem Fall eines „Buschmannes”) und nicht auf eine eigenständige Person reduziert. Die Beteiligung der gefilmten Personen oder anderer Einheimischer bei der Entstehung dieser Filme wurde als unwichtig angesehen und meist dort weggeschnitten, wo es offensichtlich war. Wie „Völkerschauen” lieferten solche Filme dem Zuschauer die Illusion einer unmoderierten Begegnung mit der weiteren Welt, aber mit Filmen war es viel einfacher, die durch diese Begegnung vermittelte Botschaft zu kontrollieren. 

Übrigens ist der Clip bemerkenswert, da er der älteste überlebende Film ist, der mit einer gleichzeitigen Aufnahme der menschlichen Stimme synchronisiert wurde. Pöch nahm das Audio- und Videomaterial gleichzeitig, aber mit getrennten Geräten auf, und wir haben es dem österreichischen Filmwissenschaftler Dietrich Schüller zu verdanken, dass er 1984 die beiden Medien zum ersten Mal zusammenführte.

Jeff Bowersox (translated by Lilian Gergely)


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Quelle: Rudolf Pöch, Buschmann spricht in den Phonographen (1908), Österreichische Mediathek / Austrian Media Library vx-01934_01_k02. ©Österreichische Mediathek.


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